Traditionelle Keschdewanderung - diesmal ohne Keschde
Punkt 10.57 Uhr hörte der Dauerregen der Nacht und des Morgens auf. Und das war gut so, denn acht wassersportliche Drachenbootfahrer hatten der nassen Wettervorhersage getrotzt, um sich auf den Weg nach Ramberg in die Pfalz zu machen.
Von Gaby und Günthers Haus aus sollte ab 11 Uhr die Wanderung in die Misch- und Kastanienwälder des Pfälzer Waldes beginnen. Das Ereignis, diesen Herbst dankenswerterweise von Lucie organisiert, hat nun im siebten Jahr schon eine gewisse Tradition. Deshalb lässt sich bereits erahnen, was auf einen zukommen wird. Und so war es denn auch:
Der gute Gastgeber Günther begrüßte seine nacheinander eintrudelnden Vereinskameraden mit einem aufmunternden Kaffee nach Wahl. Der Holzofen spendete wohltuende Wärme und trug zur gemütlichen Atmosphäre bei. Es blieb genügend Zeit für erste Gespräche und auch, um sich mit den tierischen Neuzugängen im Hause vertraut zu machen, mit ihnen zu spielen, sie zu knuddeln und zum Schnurren zu bringen.
Mit zwei Autos fuhren wir gestärkt in Richtung Ramberg, bogen dann auf einem Wirtschaftsweg in den Wald ab, um ein paar erste Höhenmeter gutzumachen. Der Waldboden war voller Pfützen und von Nässe getränkt, feuchte Blätter lagen flächendeckend auf dem Boden. Die ersten Schritte weckten bei manchen Mitwanderern Kindheitserinnerungen, als man, die Blätter hochkickend, noch durch Laubhaufen tobte. Wer das hier wiederholen wollte, hatte jede Gelegenheit. Dazu bedurfte es jedoch eines langen und kräftigen Atems, denn gleich der erste Waldweg führte uns steil den Berg hinauf. Auf diese Herausforderung folgte nach dem Kamm die zweite, denn jetzt galt es, auf dem schmierig-rutschigen Boden auf kleinen Serpentinenpfaden den Abstieg zu meistern. Glatte Steine gaben nicht den erhofften Halt und was unter den Blättern verborgen war, ließ sich nur erahnen. Trotz des ein oder anderen Stolperers und Ausrutschers im düsteren Wald unter wolkenverhangenem Himmel näherten wir uns unserem Ziel, der in einer Senke des Pottaschtals liegenden Böchinger Hütte des Pfälzerwald-Vereins. Zu unserem blanken Entsetzen stieg kein Rauch aus dem Kamin, die Fenster schienen dunkel, kein Auto eines Hüttenwirts war zu sehen. Sollte das Ziel unserer Wanderung trotz Günthers gründlicher Vorabrecherche im Internet wegen des schlechten Wetters und der geringen Zahl von Wanderern etwa geschlossen sein? Der Weg zu einer alternativen Hütte wäre weit.
Doch so war es zum Glück dann doch nicht. Tatsächlich fanden wir in der Hütte mehr Personal als Wanderer. Der Holzofen bollerte, die wenigen vom Stromaggregat betriebenen Lampen warfen ein mildes Licht. Nein, Bratwürste wollte man uns heute nicht anbieten, bei so wenigen Interessierten lohne es sich gar nicht, ein Paket der eingeschweißten Pfälzer Delikatessen anzubrechen. Konsequenterweise entschlossen wir neun Wanderer uns mehrheitlich für die Wurst, stimmten das Personal um und bestellten die übliche Pfälzer Trilogie von Bratwurst, Leberknödel und Saumagen mit Kraut und Brot. Ortsübliche und angemessene Getränke ergänzten die Stärkung.
Gerade als eine große und lebhafte Wandergruppe die Hütte erreichte, verabschiedeten wir uns vom Personal und dankten für Speis und Trank. Der zweite Teil der Wanderung hatte die Ramburgschenke zum Ziel. Dort waren Kaffee und Kuchen eingeplant. Draußen war es heller geworden, die gefallenen Blätter und die in den Bäumen leuchteten nun in ihren gelb-rot-braunen Herbstfarben. Der Weg war ab hier deutlich angenehmer zu laufen und der Blick war jetzt nicht nur ängstlich auf den Boden und seine Rutsch- und Stolperfallen gerichtet; mein Auge schweifte jetzt auch auf der Suche nach den begehrten Esskastanien durch den Wald, hatte ich doch zu Hause für die folgende Woche eine Keschdesupp als herbstliche Speise angekündigt. Wanderer, Sammler, Hirsch, Reh und das ein oder andere Wildschwein hatten aber wohl schon zeitigeres Interesse an den Kastanien gehabt. Der aufgewühlte Waldboden ließ an etlichen Stellen die Spuren von Säuen erkennen. Allein mit Karins Sammelhilfe (danke dafür!) kam dann mal gerade eine Anoraktasche voll der Waldfrüchte zusammen. Dazu später mehr …
Gleich neben der idyllisch gelegenen Ruine der Ramburg erwarteten uns die Mitglieder des Männergesangsvereins Ramberg in ihrer Schenke mit zwei Sorten hausgebackenen Kuchens und frischem Kaffee oder Tee. Im offenen Kamin brannten die Holzscheite, es war angenehm warm in der Stube. Geschichten machten am gemeinsamen Tisch, an den wir Stühle stellten und enger zusammenrückten, die Runde, die man im Drachenboot so ausführlich nicht hätte erzählen können oder wollen. Unsere eh schon gute Stimmung erreichte noch einmal einen deutlichen Schub. Kein Wunder, wussten wir doch, dass der vor uns liegende Weg ein leichter sein würde; immer bergab und zurück zu den geparkten Autos. Letzte Willensanstrengungen von Karin und mir, die restverbleibenden Maronen zu entdecken, blieben ohne nennenswerten Erfolg. Nachdem wir Günther an seinem Zuhause abgesetzt hatten und uns alle sehr, sehr herzlich bei unserem Ehrenpfälzer Wanderführer bedankt hatten, machten wir uns auf den Rückweg in die Metropolregion.
Da wegen Terminschwierigkeiten die Keschdewanderung nach hinten verlegt wurde, war meine Ausbeute an den sonst so leckeren Maronen mehr als dürftig. Schrumpelige, verschimmelte und durchaus auch bewohnte Exemplare erschienen nicht sehr einladend. Zwei Tage später gab es bei uns zu Hause ein leckeres Kastaniensüppchen mit französischen Maronen aus der Plastikpackung.
Geht doch!