21.11.23

Das Drachenboot im Schilderwald der Südpfalz

Geht doch!

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Lucie und Günther, die Pfad- und Wegefinder des Drachenbootteams, luden auch dieses Jahr auf eine Wanderung durch den Pfälzer Wald ein. Angesprochen waren die Paddler der Rhein-Neckar-Dragons, PartnerInnen und wer sonst noch Lust hatte, gemeinsam einen schönen Tag zu verbringen.

Verabredeter Treffpunkt war am Samstag, dem 28.10.2023, der Wanderparkplatz in
St. Johann, einem Ortsteil von Albersweiler westlich von Landau. Mit auf Wanderschaft gingen in diesem Jahr: Christian, Dirk, Gerda, Günther, Harald, Jojo, Lucie, Sugi und Wally.

Der beeindruckend durchdidaktisierte Parkplatz bot auf etlichen Schildern reichlich Informationen: Die Zeichenerklärung der Wanderkarte hatte allein zwölf Punkte aufzuweisen. Die Auswahl der Themenwanderwege beinhaltete nicht nur traditionelle und zu erwartende Namen wie ‚Keschdeweg‘, ‚Hüttentour‘ und ‚Historischer Rundweg‘, der ‚Schmunzelweg‘ jedoch lockte mit amüsanten pfälzischen Geschichten und Anekdoten. Da der mit eineinhalb Kilometern recht kurz war, wollten wir ihn uns für spätere Jahre aufheben. Geht ja noch!
Wir lasen auch Interessantes über den Naturpark Pfälzerwald, der Teil eines grenzüberschreitenden Biosphärenreservats ist und ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur zum Ziel hat. Wir auch.
Wie das aussehen soll, konkretisierte die nächste Tafel zum (menschlichen) Verhalten im Wald und einem nachhaltigen Tourismus. Von acht Hinweisen waren fünf mit Einschränkungen für die Wandernden beschäftigt, drei mit Verboten. Dem Chronisten kam es so vor, als hätte er das alles schon ganz oft gehört und verinnerlicht, aber vielleicht schadet es ja nicht, es dem Einen oder der Anderen nochmal vor dem Betreten des Waldes näher zu bringen.

Schon nach kurzer Wanderung grüßte uns links des Weges ein hölzernes Wesen, das – auf seine Schaufel gelehnt – an einen Köhler erinnerte. Ein geneigter Kanute konnte in der Kohleschaufel aber auch ein Paddel erkennen. Der aufmerksame Wanderer weiß eigentlich die Zeichen des Weges zu deuten. Hier waren wir aber auf uns gestellt, ein erklärendes Schild an der fast lebensgroßen Statue war diesmal nicht zu finden.

Auf laubbedeckten Wegen ging es durch Totholzflächen mit zum Teil bizarrem Wurzelwerk, über sattgrüne Moosplatten und unter Felsüberhängen zu einem ersten Aussichtspunkt auf einer Felsnase auf dem Ohrensberg (581,2 Meter), der uns trotz wolkenverhangenen Himmels einen fantastischen Blick ins Queichtal, die Rheinebene bis weit in den Wasgau ermöglichte. Auf dem weiteren Weg fanden wir im Speiseangebot des Waldes neben einigen wohl genießbaren auch ganz auffällige Fliegenpilze und reichlich Esskastanien. Durch die lange Trockenheit des Sommers waren die dieses Jahr auffällig klein.

Der vielfältige Genuss des Wanderns und seine Wirkung aufs Gemüt ließen uns eine Sängergruppe bei Akkordeonbegleitung zum Gruß entgegenschallen, als wir in der Landauer Hütte des Pfälzerwald-Vereins zum Mittagessen einkehrten. In den knappen Worten des Refrains fassten die Sängerinnen und Sänger für sich und uns zusammen: „So schön ist‘s auf den Bergeshöhn …“. Ausgestattet waren sie nicht nur mit Wanderutensilien, sondern auch mit Musikinstrumenten, Notenbüchern und I-Pads. Anscheinend wollte man hier noch etwas länger singen. Auf den Tischen, gegessen hatten sie wohl schon, standen – für eine Pfälzerwaldhütte eher ungewöhnlich – noch die angebrochenen Dreiviertelliter-Flaschen mit Weiß- und Roséwein sowie Mineralwasser. Am Farbton in den Gläsern ließ sich erkennen, dass beides zur personalisierten Herstellung von Schorle diente. Die schmucke Stube mit ihren getäfelten Wänden, dem Holzboden, den schmiedeeisernen Gardinenhaltern, eisernen Aufhängungen für die opalfarbenen Deckenlampen, die Stühle und Tische aus massivem Holz und die liebevollen Tischdekorationen aus Kürbis, Sukkulente und handgeschnitzten Tieren des Waldes verbreitete eine aus der Zeit gefallene Atmosphäre, die so fernab unseres Alltags lag. Das passte zueinander, das hatte Stil; genau den, den der Charme der Hütten ausmacht. Geht doch!

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Die Speiseauswahl hielt sich in Grenzen, die übliche Pfälzer Trilogie (Lewwerknepp, Saumage, Brodworschd) war auf ein Drittel beschränkt, Bratwurst und Kartoffelsalat waren im Angebot. Waren lecker. Geht doch!
Nach dem Essen kommt die Geschirrabgabe. Ortsüblich, angemessen und schnörkellos zeigte uns ein Bild mit fünf Tellern und einem Schoppenglas – ohne Dubbe! – den Weg: „Rückgabe geradeaus“.

Dass wir uns auf historischem Grund bewegten, wussten wir, nichtsdestotrotz erinnerte uns nach der Einkehr ein Gedenkstein des Pfälzerwald-Vereins unvermittelt an die Grausamkeit von Krieg und Tod: „Zu Ehren der im Weltkrieg 1914 – 1918 gefallenen Mitgliedern der Ortsgruppe Landau und der Gefallenen u. Vermissten 1939 – 1945“. Der Findling transportierte uns aus der Idylle der Hütte und erinnerte an die nicht enden wollende Grausamkeit von Krieg, Tod und Leid.

Gut gesättigt, galt es nun, beim Weiterwandern Kalorien wieder abzubauen, um Platz für Kaffee und Kuchen zu schaffen. Im Naturfreundehaus Kiesbuckel (314 Meter) fanden wir ein besonders leckeres hausgebackenes Angebot, das manche/n zu einem zweiten Stück verführte.
Der Verfasser dieser Zeilen wurde – das muss der Vollständigkeit Willen erzählt werden, das ist Chronistenpflicht – auf der Toilette (nicht holzgetäfelt und neueren Datums) unerwartet von einem Naturerlebnis der besonderen Art, einem atemberaubenden Blick in die Wälder und Täler überrascht und heiter gestimmt. Die Vista war auch von anderen beeindruckten FreundInnen bemerkt worden und wurde dementsprechend thematisiert.

Über einem Türsturz fanden wir einen gereimten Vierzeiler in alter Schrift, der sich hoffnungsfroh lesen ließ:

„Unser die Sonne, unser die Erde
Unser der Weg in das blühende Land.
Daß eine glückliche Menschheit werde
Bruder, reiche dem Bruder die Hand.“

Gut erkennbar hier, wie für die Naturfreunde soziale Emanzipation und der Schutz der Natur untrennbar zusammen gehören. Und das seit 1905 in Deutschland!

Kurz vor dem Ende des Weges stießen wir noch auf den verschlossenen Eingang eines Westwallbunker-Pumpwerks, Teil einer Anlage von fünfzehn Bauwerken, die rund um Albersweiler zwischen 1936 und 1940 errichtet wurden. Das Pumpwerk diente einem höher gelegenen Wasserreservoir, das zwei Bunker versorgte. Heute – und so schließt sich am Ende der Wanderung durch den Schilderwald ein Kreis – versorgt die Pumpstation das Naturfreundehaus Kiesbuckel mit Wasser. Und das ist gut so! Das ist sogar besser!

Einen Hinweis auf die Tafel mit den Abbauzeiten von Müll in der Natur hatten wir zwar schon am Anfang gesehen, war uns aber an diesem schönen Tag nicht wichtig. Als naturverbundene Wassersportler haben wir eh nichts im Wald zurückgelassen.
Mitgenommen dagegen haben wir schöne Naturerfahrungen, Denkanstöße, gute freundschaftliche Gespräche.
Lucie und Günther haben uns durch einen erlebnisreichen Tag geführt, ihnen wurde von den Wandernden viel Lob gezollt und herzlich gedankt

Nachtrag 1:
Das Handy des Chronisten dokumentierte am Abend 16.532 Schritte. Das waren gut 13 km herbstlicher Pfälzer Wald.

Nachtrag 2:
Der Chronist verbrachte den Abend mit dem Ritzen, Rösten, Schälen und Häutchenabziehen der gesammelten Keschde. Angebrochene Fingernägel, Splitter darunter und braune Hände waren leider unvermeidliche Begleiterscheinungen. Am nächsten Tage, dem Sonntag, gab es hier im Hause Keschdepüree als Beilage.
In der Woche erreichte mich auch noch die Anfrage einer mitpaddelnden Person: „Guten Abend …. Ich bin gerade bei der ‚Nacharbeit‘ zur Herbstwanderung und dachte ich frage einen Keschde-Kenner. Ich habe die ‚Keschde‘ geschlitzt, gekocht und geschält. Nun verbleibt da allerdings ein Häutchen, was teilweise echt schwer abgeht. Muss das ab oder kann das mit in das Keschde-Kartoffel-Mus?“

Meine Antwort: Um brutal ehrlich zu sein. Ja, muss weg, schmeckt sonst bitter. Die Person hat es nochmal probiert und fleißig gepellt und PartnerIn mit einem wohlschmeckenden Essen beglückt.
Geht doch!

Bei der nächsten Wanderung werden wir das Thema nochmal aufgreifen.
Vielleicht wäre ja auch eine Tafel mit Kochanleitung am Anfang des Keschdewegs eine Idee.