Mit dem Seekajak in der Bretagne
Quiberon 2014
Wohin fährt man an Ostern als Familie mit zwei Jugendlichen? Die Jugend will entweder „gediegen chillen“, Party oder Action … und die beiden Alten wollen Paddeln. Nun sind unsere Kinder weder wasserscheu noch Warmduscher. Aus diesem Grund waren sie dem der Idee eines Surfkurses absolut nicht abgeneigt und damit war beschlossen: wir fahren in die Bretagne. Eine Recherche im Internet musste nun nur noch ein paar Orte ausspucken, in denen es sowohl Surfschulen als auch Seekajakverleihe gab und schon konnten wir buchen.
Die Wahl fiel auf die Halbinsel Quiberon. Nach Westen bietet die Halbinsel spektakuläre Steilküsten und hohe Atlantikwellen und nach Nordwesten brechen sich die Wellen an endlosen, flach auslaufenden Sandstränden. Im Osten der Halbinsel bietet der Golf von Quiberon ein geschütztes Gebiet für Windsurfer und ein paar Kilometer weiter (ca. 30min mit dem Auto) liegt der Golf von Morbihan mit seinen vielen Inseln und kilometerlangen Meeresarmen, die nahezu Badewannenbedingungen zum entspannten Tourenpaddeln bieten … sowie der schmalen Verbindung zum Meer, in dem sich bei günstigen Bedingungen durch die Gezeiten auch weithin bekannte stehende Wellen zum Spielen entwickeln (der Vollständigkeit halber: es gibt im nahegelegenen Lorient sogar einen kleinen Wildwasserkanal). Kurz: wir sind auf eines der vielseitigsten Paddelreviere Frankreichs gestoßen. Hinzu kommt der Standortvorteil für Liebhaber von Meeresgetier als Nahrungsmittel: Fisch und Muscheln frisch vom Hafen und zu einem Bruchteil des Preises in Deutschland …. das Dutzend Austern zu 5€.
Die Kinder waren flugs im Surfkurs angemeldet und konnten die Surfspots mit dem Fahrrad erreichen, so dass wir uns ganz auf unsere Paddelei konzentrieren konnten. Unsere Ferienwohnung lag praktisch an der engsten Stelle des Isthmus der die Halbinsel Quiberon mit dem Festland verbindet. Hierdurch konnten wir häufig auf den Autotransport verzichten und mit dem Bootswagen bequem die Einstiegsstellen auf beiden Seiten der Halbinsel erreichen.
Rockhopping an der Steilküste
Die Steilküste musste natürlich als erstes erkundet werden … auch weil die Wettervorhersage steigende Wellenhöhen für die nächsten Tage ankündigte (am Abreisetag gab es über 5m hohe Wellen!). Bei mäßigem Wellengang (<1m) und Flut ging es hinaus. Gleich am Anfang kam uns eine Ausflugsgruppe der nahegelegenen Seekajakschule entgegen, die sich einen Spaß daraus machten, möglichst nahe an den Felsen entlangzufahren, das sogenannte Rockhopping. Hierdurch bekommt man fast ein wenig Wildwassergefühl, da auch kleine Wellen hier interessante Kehrwasserverhältnisse verursachen und man aufpassen muss, dass man nicht auf einem Felsen – der eben noch gar nicht da war – sitzen bleibt oder dagegen geschleudert wird. Echte Rockhopper in ihren extra kurzen Seekajaks aus PE tragen daher auch Helm und Ellenbogenschoner. Eine Höhle nach der Anderen lud zur Erkundung ein, manche konnten bis zu 20m tief befahren werden. Leider zwang uns die einbrechende Dunkelheit zur Rückkehr und leider konnten wir aufgrund der immer raueren See im Laufe der nächsten Tage nicht mehr die Erkundung der „Wilden Küste“ (Cote Sauvage) fortsetzen.
Surfen im Atlantik
Die nächsten beiden Tage erkundeten wir die schöne aber unspektakuläre Ostküste der Halbinsel. Dabei haben wir immer wieder andere Seekajaker getroffen, häufig Briten … aber keine Deutschen. Am nächsten Tag habe ich mich wieder an die Westküste an den langen Surfstrand gewagt. Ausgerüstet mit Paddlefloat und Lenzpumpe zur Selbstrettung begab ich mich in die 2m hohen Wellen. Das Starten in der Brandung hat eigentlich ganz gut geklappt und mein neues Boot verhielt sich tadellos (um nicht zu sagen perfekt), aber als sich die erste Welle über mir gebrochen hat (das Boot schnitt durch die Welle wie es sich gehört) habe ich nicht nur eine ordentliche Nasenspülung bekommen, sondern mein gesamtes Rettungsequipment wurde weggespült. Also … zurück an den Strand und das Zeug wieder einsammeln. Außerdem wusste ich jetzt auch, wozu diese ganzen Kordeln an der Ausrüstung und am Boot angebracht sind. Nachdem dann alles gut befestigt war, nahm ich wieder diverse Nasenspülungen in Kauf, um hinter die Zone zu kommen, in der die Wellen sich brachen. Und nun begannen 60 min, in denen ich zwischen Grinsen und „dicken Backen“ kaum zum Atmen kam: Wellenreiten ist genial! Danach war ich allerdings völlig erschöpft und versuchte mit Würde (schließlich surften 100m meine Kinder in ihrem Kurs) durch die Brecher an den Strand zu kommen.
Paddeln de Luxe
Der folgende Tag war zum Glück völlig verregnet, so daß ich meinen Muskelkater von den ungewohnten Kraftakten des Wellenreitens nicht offen zugeben musste. Wir besuchten das schöne Städtchen Vannes und die berühmten Hinkelsteinfelder von Carnac., die sich nur 10km entfernt befinden.
Die beiden letzten Tage erkundeten wir bei bestem Wetter die ruhigen Gewässer des Golfs von Morbihan. Hier kann man in den langen Meersesarmen durchaus vergessen, dass man sich eigentlich auf dem Meer befindet. Die durch die Gezeiten geprägte Wasser- und Marschlandschaft lässt hieran allerdings kaum einen Zweifel, nicht zuletzt durch wechselnde Strömungsverhältnisse, die man bei seinen Touren besser einplanen sollte. Am Durchlass vom Meer zum Golf kann die Strömungsgeschwindigkeit sogar mehr als 20km/h betragen. Mehr durch Glück als durch gezielt Planung blieben wir allerdings vor unliebsamen Überraschungen verschont und genossen die Landschaft mit Schlössern, beindruckenden Anwesen am Wasser, Wasservögeln und verträumten kleinen Häfen, die uns mit ihren Cafés keine Chance für lange Touren ließen: einfach das Kajak an die Rampe am Kai ziehen, 10m laufen und mit Blick auf Boote und Hafen die berühmten Crêpes und einen Cidre oder Kaffee genießen: Paddeln wie Gott in Frankreich!